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Redebeitrag von Dr. Michael Wilk auf der Demo „AfD -nur die Spitze des Eisbergs“ am 26. Oktober 2018

Die Mischung derer, die kämpferisch unter völkisch-nationaler Flagge unterwegs sind, beschränkt sich nicht nur auf AFD, die Identitäre Bewegung, oder plump faschistische Hitler Fans, sondern reicht längst bis in Regierung und auch die Mitte der Gesellschaft.

Der Giftschrank vormals tabuisierter Begriffe aus dem Fundus national-sozialistischer Propaganda steht inzwischen weit offen: Die Begriffe Heimat, Volk, Nation und der Kampf zur Verteidigung christlicher Werte gehören längst zum populistischen Repertoire der etablierten Parteien. Doch es zeigt sich auch die dazugehörige inhumane Praxis. Im Bemühen die Verteidigung der „deutsch-abendländischen“ Kultur, nicht der AFD zu überlassen, werden Geflohene abgewiesen, Todesgefahren ausgesetzt, oder der Versklavung in lybischen Lagern überantwortet. Die Kriminalisierung der Seenotrettung steht für eine barbarische Verrohung, ein skrupelloses über Bord werfen jeder humanitärer Ansprüche. Was sich im Mittelmeer und an den Außengrenzen Europas offenbart, ist politisches Kalkül das über Leichen geht. „Terror“ ist definiert als Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltaktionen zur Erreichung politischer Ziele- wir erleben zur Zeit genau das: Staatlichen Terror als Abschreckung und Einschüchterung gegenüber Geflohenen. In der Durchsetzung dieser Maßnahmen offenbart sich nicht nur ein Zurückweichen vor dem rechts-populistischen Druck von AFD und Co., sondern – und das ist noch gefährlicher- ein Aufgreifen und Reproduzieren rassistischen Muster.

In einzigartigen Hetzkampagnen, bezogen auf die Nachkriegsgeschichte Deutschlands, werden Menschen, meist mit wenig mehr auf dem Leib aus den Kampfzonen Syriens oder auch den Hungerregionen Afrikas und unter Einsatz ihres Lebens über das Mittelmeer kommend, zu einer Bedrohung des Abendlandes und zu potenziellen Vergewaltigern deutscher Frauen aufgebaut.

Es gibt kein Flüchtlingsproblem – sondern vielmehr ein Rassismusproblem!

Es werden Ängste und Sorgen aufgegriffen und nach rassistischen Mustern ab- bzw. umgelenkt, die nicht selten ihren Ursprung weniger in fiktiver Angst vor Fremden, sondern in ganz realen gesellschaftlichen Problemen haben. Billiglöhne, Altersarmut, Gentrifizierung, ein sich rasant verknappender und verteuernder Wohnungsmarkt, um nur einige zu nennen, verschwinden hinter einer rassistischen Drohkulisse. Reale gesellschaftliche Auseinandersetzung an diesen Themen gilt es zu vermeiden, was jedoch angeboten wird, sind völkisch –nationale Scheinlösungen.

Eine rassistische, rechts- populistische Dynamik entfaltet sich in der Mobilisierung von Ängsten einerseits und dem Angebot einer identitären Mental-Droge andererseits: Die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgemeinschaft als Wert an sich- selbstredend exklusiv für „Bio“-Deutsche. Auf deutsche Überlegenheitsgefühle zu setzen, ist angesichts der deutschen Historie bizarr, ekelhaft und verwerflich genug. Sie wird jedoch erst richtig brisant durch die damit zwangsläufig verbundene Abwertung anderer, eben Nicht-deutscher.
Denn einmal angekommen im Kollektiv der „Wir sind das Volk“-Schreier, wird barbarisches Handeln leichter möglich: Das chauvinistische „Wir“-Empfinden stärkt und legitimiert die Unterscheidung in Wert und Unwert, in Drinnen und Draußen.
So werden Ängste geschürt, im Verteilungskampf auf der Strecke zu bleiben, um verknappende Ressourcen kämpfen zu müssen, zu verteidigen, was noch bleibt, gegen die, die anders erscheinen, oder die noch viel weniger haben und gerade deshalb als Bedrohung empfunden werden. Es offenbart sich die Denke einer Ellenbogengesellschaft, die Solidarität zum Unwort erklärt und den Blick auf die eigentlichen Verhältnisse trübt: Dass es mehr als genug für Alle gäbe, wäre es nur anders verteilt.

Zeitgleich eskalieren Konflikte, die zum größten Teil Folgen internationaler Ausbeutung, imperialer und postkolonialer Politik sind. Millionen Menschen werden durch Krieg und Zerstörung, durch Hunger und Elend zur Flucht gezwungen. In der gängigen- sich durch alle Medien ziehenden- Unterscheidung zwischen Kriegs und „Wirtschaftsflüchtlingen“, offenbart sich menschenverachtender Zynismus. Als ob es einen Unterschied gäbe zwischen einem Erschossenen oder einem Verhungerten. Jene Elenden, die sich wagen etwas einzufordern- etwa schlichtes Überleben, Sicherheit oder ein bescheidenes Stück vom Wohlstand, werden als Schmarotzer diskriminiert und verbal entmenschlicht.
Ökonomische Verwertungsinteressen bestimmen die geopolitische Einflussnahme, der Hunger nach Energie, Öl, Mineralien und das Abstecken von Herrschaftsclaims bestimmen die Politik der Mächtigen. Sei es die Abholzung von Regenwald, oder ausbeuterische Produktionsbedingungen in Bangladesch, es zählt die Verwertbarkeit von Mensch und Natur.
Nur wehe wenn sich die Geschundenen dieser Politik auf den Weg in die Wohlstandszonen dieser Welt machen, dann erscheint es opportun, Kriegsschiffe zur Zerstörung von Schlepperboten zu entsenden und das Mittelmeer in ein Massengrab zu verwandeln.

Wir erheben heute unsere Stimme gegen diese Zustände. Wir widersprechen gesellschaftlichem Rassimus, aber ebenso auch staatlich-pragmatischer Skrupellosigkeit. Rassismus ist nur zu begegnen indem er als solcher benannt- und in seinen Erscheinungsformen angegriffen wird. Herrschaftshandeln, das zunehmend einfachste humanitäre Grundsätze für ungültig erklärt, das Menschen zu Tausenden dem Tod überantwortet, das die Rettung von Schiffbrüchigen kriminalisiert, muss ebenso der Kampf angesagt werden, wie einem rassistischen Mob, der sich anschickt eine Unterkunft von Geflohen zu stürmen.